Über

Die Lettrétage versucht in Kooperation mit dem vauvau-verlag für interaktive lyrik mit der Verschränkung von Livesituation und digitaler Interaktion einen visionären Ansatz der Begegnung von Literatur und Raum, analog und digital, Produktion und Rezeption, der die verschiedenen Elemente (Text, Grafik, Video, Musik) einem offenen, medienaffinen und abenteuerlustigen Publikum näherbringt.

Am Anfang stand eine kleine Arbeitskonferenz im Februar 2017 mit den teilnehmenden AutorInnen und bildenden KünstlerInnen, auf der das Grundkonzept des historischen, japanischen Kettengedichts vorgestellt und näher erläutert wurde. Daraufhin gaben sich die vier teilnehmenden AutorInnen und die zwei bildenden KünstlerInnen in gemeinsamer Erarbeitung die Regeln und Themen des Schreib-Projekts vor. Man einigte sich auf folgende Regeln: Es werden sechs lineare Ketten hergestellt. Jede/r ist in jeder Kette zweimal vertreten. Jede Kette ist insgesamt zwölf Glieder lang. Kettenglied 3 einer jeweiligen Runde sollte sich dem Begriff „Atmosphäre“ widmen; Kettenglied 6 einer Runde sollte ein „Ereignis“ beschreiben, Kettenglied 10 einer Runde sei dem „Turn“, der „Kehre“ gewidmet.

Die eingeladenen TeilnehmerInnen eröffneten nach der eintägigen Konferenz jeweils mit einem Vers bzw. Bildwerk das intertextuelle Gespräch. Diese Initial-Beiträge entstanden nicht aus dem Nichts, sie schließen an eine Zeile eines alten Kettengedichts aus der klassischen japanischen Kettendichtung Bashos und seiner Kollegen an: „Alle hübsch in einer Reihe“.

Nach dem Grundprinzip der japanischen Kettendichtung werden die vorgefundenen Texte/Bilder weitergeschrieben, dabei sind verschiedenste Anschlüsse und Zugänge denkbar: Textmaterial des Vorverses wird aufgegriffen, oder es werden Anklänge zum Vorvers (über Klang, Rhythmus u.ä.) erarbeitet. Ein Bild/Foto nimmt formal eine Verszeile auf oder bezieht sich assoziativ auf einzelne Wortbilder etc.

Zwischen Februar und April 2017 entsteht so ein Textfeld – Alle erarbeiten in mehreren Runden Anschlüsse und Text/Bildbeiträge, so dass das Gesamtkonvolut an Text und Bild wächst und wächst. Überschneidungen, Analogien, Weiterschreibungen, Verzweigungen, Kommentierungen, etc. entstehen.

Die sechs Kettengedichte entstehen in zwei Phasen:
In der ersten Phase, Runden 1-7, kennen alle Beteiligten nur das jeweilige Werk auf das sie reagieren, kennen also das entstehende Kettengedicht und die Zugriffe der anderen nur stichprobenartig, auch weil die einzelnen Teilnehmer hier das erste Mal in einem Gemeinschaftsprojekt zusammenarbeiten. Damit spannt sich ein heterogenes ästhetisches Bezugsfeld mit eigenständigen künstlerischen Positionen auf.

In der zweiten Phase, Runden 8-12, werden die bis dahin entwickelten Ketten öffentlich und damit auch erst den Künstlern bekannt, die nun mit einem Wissen um den entstandenen ästhetischen Rahmen und die Positionen der anderen weiterarbeiten.

Nach den zwei Monaten der eigentlichen Text-Bild-Produktion wird das gesamte Material, bestehend aus Text und Bild, für die Musikerin und den Videokünstler freigegeben. Diese erarbeiten parallel und unabhängig voneinander in einer zweiten Arbeitsphase eine Video-Installation bzw. eine musikalische Raum-Komposition, live erlebbar am 20.05.2017 in der Lettrétage.

An diesem Abschlussabend werden die Videoinstallation sowie die musikalische Komposition als Aufführung einander in zwei benachbarten Räumen gegenübergestellt, um das von den AutorInnen und bildenden KünstlerInnen geschaffene Text-Bild-Geflecht einerseits in einem digital-analogen, andererseits in einem akustisch-visuellen Spannungsfeld erfahrbar und erlebbar zu machen.